Konditorei und Kinder am Dorfrand
Konditorei und Kinder am Dorfrand
Der Artikel wurde verfasst von Thomas Rösch und erscheint im Kundenmagazin der Steuerkanzlei Torsten Helmbrecht:
Brancheneinblick
Wie aus einer Metzgerei eine Konditorei wurde. Was die BÄKO und die DATEV gemeinsam haben. Welchen Einfluss die Homöopathie auf Torten hat. Warum und wie man mit fränkischer Volksmusik die Welt kennenlernt.
Das alles wären auch Überschriften gewesen über ein circa zweistündiges Gespräch, das ich im Juli 2014 bei 30 Grad Hitze in Waigolshausen in der Schulstraße 6 im Hof vor der Konditorei von Rainer Schuler führen durfte. Aber eins nach dem anderen und so viel, wie wir hier schreiben können.
Auf dem Weg zu einer Kollegin und zu einem weiteren Termin, um eine weitere Erfolgsge- schichte zu schreiben, fahre ich durch Waigolshausen und sehe das Hinweisschild »Tortenservice Schuler«. Spontan verlasse ich die Hauptstraße, um kurz zu sehen, was es da zu sehen gibt. Eigentlich nichts, denn am Mittwoch ist geschlossen. Als ich drehen will, sehe ich im Hof jemanden sitzen und denke mir, ich hole mir einfach einen Prospekt, damit ich weiß, was es mit dem Tortenservice auf sich hat. Und da sitzt er, Rainer Schuler mit seiner Frau und zwei Buben, unschwer als Zwillinge zu erkennen. Obwohl, ob ihrer Haarpracht hätten sie auch Mädchen sein können. Die Mama sagt mir, sie wollen es einfach so. Ich stelle mich kurz vor, erfahre, dass es heute leider keine Torten gibt, aber vielleicht Nussecken und ich bestelle zwei. Als Rainer Schuler sich auf den Weg in die Konditorei macht, frage ich ihn, ob ich als gelernter Bäcker einfach einmal mitschauen darf und er bejaht sofort. Er erzählt mir, dass das hier einmal eine Metzgerei war, aus der seine Frau herausstammt und, dass sie vor einigen Jahren den Umbau zu einer Konditorei vorgenommen haben. Ich sehe Maschinen und Vieles, was mir sehr bekannt vorkommt und ich erfahre schon hier, dass Herr Schuler besonders arbeitet. Als gelern- ter Bäckermeister (Ausbildung in Ottobrunn) und Konditormeister (Ausbildung in Werneck) erzählte er, dass er heute ausschließlich mit Biodinkelmehl und Biorohrohrzucker arbeitet. Das zu bekommen und die vielen Spezialwün- sche, die er so hat, führt bei seiner Einkaufs- genossenschaft der BÄKO zu großen An- strengungen, weil sich hier einer individuell verhält und seinen eigenen hochqualitativen Weg geht. In diesem Moment denke ich an unsere Einkaufsgenossenschaft der Steuerberater, die DATEV. Nur so. Er erzählt mir weiter, dass er sich alle Spezifikationen zeigen lässt, um über die Zusammensetzung und die Inhaltsstoffe seiner Produkte Bescheid zu wissen.
Als sein erster Sohn Ferdinand geboren wurde, hat dieser viel geschrien. Ein Schreikind halt, wie es landläufig heißt. Als er Kontakt mit einer Homöo- pathin aufnahm, sagte diese zu ihm: Ferdinand hat eine Weizen- und Zuckerunverträglichkeit und ihr füttert ihn damit. In diesem Moment haben er und seine Frau Nadja beschlossen, ihre Ernährung umzustellen und ab dieser Umstellung war Ferdinand ruhig. Fast schon wieder erschreckend, wie mir Rainer Schuler erzählt, weil so kannten sie Ferdinand überhaupt nicht. Als dann die Zwillinge vor drei Jahren zur Welt kamen, stellte sich heraus, dass einer der beiden weitere Unverträg- lichkeiten hatte. Er ist heute Veganer und auch bei seinem Vater zeigten sich Unverträglichkeiten, sodass die ganze Familie heute ihre Ernährung komplett umgestellt hat. Diese Ernährungsum- stellung führte bei Rainer Schuler dazu, dass er auch seine Tortenproduktion umgestellt hat. Wenn ich nicht mehr probieren und essen kann, was ich produziere, so sagt er mir, dann stimmt etwas nicht und das führte ihn zurück zu vielen Hausrezepten und zu einer Produktion, die Menschen, die viele Jahre keine Kuchen und Torten essen konnten, dieses heute wieder ermöglicht. Was es ausmacht, wenn man bei einer Familienfeier nicht mehr daneben sitzen muss und nicht mitessen darf, was den anderen schmeckt, so erzählte es ihm eine seiner älteren Kundinnen, das macht glücklich, den, der wieder Torten essen darf und natürlich auch den, der diese besonderen Torten mit neuem Wissen und mit Liebe produziert.
Wir kommen darauf, was es heute bedeutet, als Kleinstunternehmer alle Auflagen erfüllen zu müssen. Es sollten die Eier verboten werden und sie dürften nur noch aus dem Tetrapack kommen. Was soll so eine Vorschrift, denn jedes Ei ist doch für sich besser und hygienischer verpackt, als es irgend ein Mensch je verpacken könnte. Wir reden über das Wasser, was ich angeboten bekommen habe, Mineralwasser mit oder ohne und Quell- wasser. Ich entschied mich für Quellwasser und erfahre, dass es Wasser aus der Fuldaquelle an der Wasserkuppe ist und ich schmecke, dass es richtig gut schmeckt. Wir reden über das Essen- gehen, wo Schuler’s heute schon besondere Überlegungen anstellen müssen, damit sie überhaupt das bekommen, was sie alle Essen können und was auch schmeckt. Qualität, natürliche Qualität suchen immer mehr Menschen und so kommen wir im Gespräch auch zum Garten. Ich erkläre meine Philosophie dazu wie folgt: Wir sind die letzte Generation, die von unseren Großeltern wissen, wie man einen Garten bestellt. Viele von uns tun es nicht. Wenn wir es nicht tun, geht dieses Wissen in der nächsten Generation ein für alle Mal verloren. Und ich verstehe heute den Spruch, den ich vor vielen Jahren gehört habe: »Wahre Millionäre sind die, die tausend Quadratmeter eigenen Garten bestellen und davon gut leben können«. Rainer Schuler hat gerade damit begonnen, einen kleinen Nutzgarten anzulegen. Er stammt aus einer Familie mit acht Kindern. Sein Vater war Landwirt und in jungen Jahren hat er erlebt, was der Natur angetan wurde. Es ging los mit der Halmver- kürzung bei unseren Getreidesorten, damit sich das Getreide bei Wind nicht mehr legt und der Landwirt mit dem Mähdrescher besser / leichter ernten kann. Das ging weiter mit der Zusetzung von Ascorbinsäure und dem Argument, mit dem Getreide bekommt ihr die Vitamine gleich mit. Keiner fragt, was diese Ascorbinsäure wirklich ist und dass viele Menschen hier eine Unverträg- lichkeit haben und deshalb Weizenprodukte nicht mehr vertragen, ohne vielleicht zu wissen, wo ihre Beschwerden herkommen. Und hier ist leider noch nicht Schluss, denn was noch alles, besonders beim Weizen, verändert und zugesetzt wird, kann für uns Menschen nicht gesund sein.
Im Gespräch mit Rainer Schuler merke ich, dass bei ihm eine ganzheitliche Sicht der Dinge vorherrscht. Es geht ihm darum, dass auch seine Mitarbeiterin, eine Konditorin, die selbst sechs Kinder hat und seit 10 Jahren bei ihm arbeitet, so arbeiten kann, dass sie Beruf und Familie gut miteinander kombinieren kann. Ein guter Arbeiter, der etwas mit Liebe macht, macht die Arbeit leichter und macht es ihm leichter als Arbeitgeber. Für ihn ist Geld nicht alles. Wenn am Sonntag in der Zeit von 13 Uhr bis 17 Uhr sein Laden in Waigolshausen geöffnet hat und er Menschen begeistern darf und wenn, als wir so zusammen- sitzen gerade eine Lehrerin vierzig Schüler für den nächsten Tag zum Eis essen anmeldet und wenn er mit seiner Familie zusammen sein kann und wenn er Musik machen kann, dann sind das für ihn auch Erfolgsfaktoren. Er erzählt mir von seiner über 40-jährigen Vergangenheit als Musiker, er spielt Trompete und Akkordeon und dass er mit den Eschenbachtaler Musikanten schon viel von der Welt gesehen hat. Seit jetzt 25 Jahren spielt er mit ihnen in Amerika beim Oktoberfest und er war schon in Indonesien, in Südafrika und in vielen Ländern unterwegs mit fränkischer Volksmusik. Auch den Ferdinand hat es schon gepackt und ich sehe sein Schlagzeug im Nebenraum vom Laden. Jetzt, als er gerade vom Kindergarten kommt und etwas müde ist, will er leider keine Kostprobe geben. Diese Kostprobe bekomme ich aber, als wir uns verabschieden mit den gewünschten Nuss- ecken und sie schmecken einfach fantastisch. Weil sie einfach schmecken, nicht gekünstelt und weil hier Nüsse verarbeitet werden, von denen mir Herr Schuler erzählt, dass man sie zwei Wochen vor- bestellen muss, damit man sie bei der BÄKO bekommt und dass sie etwa doppelt so teuer sind wie die Standardnüsse, die er nicht verwendet.
Am Ende des Gesprächs biete ich Herrn Schuler das Du an. Mit 57 darf man einem 52-jährigen das Du schon anbieten. Wir hätten noch Stunden weiterreden können und ich schenke Rainer mein Buch und ich bin mir sicher, dass seine Geschich- ten und seine Gedanken auch ein Buch füllen würden. Dir lieber Rainer auf diesem Weg herz- lichen Dank für das Gespräch. Dafür, dass ich deine Familie, deine Frau Nadja und die Jungs kennenlernen durfte und dafür, dass dein Torten- service, deine Konditorei eine ganz Besondere ist und dass du in deiner Art und mit deiner Persön- lichkeit weiter viel Erfolg hast. Neben dem Pro- duktionsstandort in Waigolshausen und dem Cafe / Verkauf am Sonntag, gibt’s Süßes auch in Bad Kissingen montags bis samstags. Mehr dazu unter www.tortenservice-schuler.de
Autor/Textnachweis: Thomas Rösch
http://steuerberater-helmbrecht.de/ewiv/erfolg/210-konditorei-und-kinder-am-dorfrand
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